Der Prozess vor dem Volksgerichtshof
Theo Kreiten berichtet von der unerwarteten Verurteilung seines Sohnes zum Tode durch den Volksgerichtshof
Wir konnten von der Entwicklung des gegen Karlrobert eingeleiteten Verfahrens, das von der Gestapo auf die Justizbehörde und von hier auf den Staatsanwalt des Volksgerichtshofs übergegangen war, keine klaren Vorstellungen gewinnen, obwohl seit dem ersten Tag der Verhaftung in Heidelberg kein Tag vergangen war, an welchem nicht auf die eine oder andere Weise versucht worden wäre, den jeweiligen Sachbearbeiter zu sprechen, in die Akten Einblick zu gewinnen und von oben her durch Einflußnahme hochgestellter Persönlichkeiten auf eine günstige Beurteilung der Sache einzuwirken. Es war zwar schon in Heidelberg aus der Gestapo der Name der Denunziantinnen herausgeholt worden, so daß die Aussagen von Karlrobert auch ohne Kenntnis des Akteninhaltes bekannt waren.
Auch die Gestapo in Berlin hatte sich nach unseren unermüdlichen Bemühungen endlich dazu verstanden, den Sachbearbeiter des "Falles Kreiten" zu nennen. Dieser zunächst sehr unzugängliche Mann beschränkte sich aber nur darauf, Briefe und Päckchen für Karlrobert weiterzuleiten und den Trost zu spenden, daß keine Suppe so heiß gegessen werde, wie sie gekocht sei. Große Hoffnungen erweckte die uns überbrachte Äußerung des Gestapochefs, er kenne den Fall genau, die Sache sei nicht wichtig und würde günstig verlaufen.
Als wir den Staatsanwalt des Volksgerichtshofes, der nunmehr den Fall bearbeitete, aufsuchten, riet uns dieser, nicht weiter auf eine beschleunigte Herbeiführung des Verhandlungstermines zu drängen. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf plötzlich der Schlag, als Rosemarie am 3. September einen anonymen Anruf erhielt, der sie davon in Kenntnis setzte, daß ihr Bruder vom Volksgerichtshof (unter dem Vorsitz des Präsidenten Roland Freisler) am Vormittag zum Tode verurteilt worden war. Seine Rechtsanwälte, mit denen sie sich sofort in Verbindung setzte, wußten weder von einem angesetzten Termin noch von dem ausgesprochenen Urteil. Hier war also selbst das Letzte, was die Nazijustiz in den meisten Fällen ihren Opfern noch an formaler Sicherung eines ordnungsmäßigen Zustandekommens des Urteils zugestand, beseitigt worden, indem ohne Bekanntgabe des Termins in aller Heimlichkeit, wenn auch in einer öffentlichen Sitzung, das Todesurteil ausgesprochen worden war, so daß weder die Angehörigen noch der Rechtsbeistand anwesend sein konnten. Daß dahinter etwas Besonderes stecken mußte, stellte sich dann auch bald klar heraus. Die telephonisch benachrichtigten Eltern eilten nach Berlin, um die sofortige Vollstreckung des Urteils zu verhindern.