Das Massaker von Plötzensee
von Hans Daniel
Das Massaker in der Haftanstalt Plötzensee begann in den Abendstunden des 7. September 1943. Es endete in den frühen Morgenstunden des 9. September. Die erschütterndste Schilderung dessen, was in diesen Septembernächten geschehen ist, verdanken wir der Erinnerung des langjährigen Gefängnisgeistlichen der Berliner Haftanstalt Tegel, Harald Poelchau, der in seinen Amtsjahren von 1933 bis 1945 viele Opfer der faschistischen Blutjustiz betreut und sie auf ihrem, wie die euphemistische Umschreibung lautet, letzten Weg zum Schafott begleitet hat.
Poelchau spricht in seiner Erinnerung von den »Schreckensnächten« im September. Die Machthaber des Regimes nutzten die alliierten Bombenangriffe zu einem wahren Amoklauf, so auch im Gefängnis Plötzensee, wo Hunderte Gegner des Regimes nach ihrer Verurteilung, zumeist durch den »Volksgerichtshof«, auf ihre Hinrichtung warteten. »Mit Einbruch der Dunkelheit am 7. September«, berichtet Harald Poelchau, »begann der Massenmord. Die Männer waren in mehreren Gliedern hintereinander angetreten (...) Immer acht Mann wurden namentlich aufgerufen und abgeführt (...) Alle diese Männer wurden gehängt. Die Hinrichtungen mußten bei Kerzenlicht durchgeführt werden, da das elektrische Licht ausgesetzt hatte. Erst in der Morgenfrühe, um acht Uhr, stellten die erschöpften Henker ihre Tätigkeit ein, um sie am Abend mit frischen Kräften wieder aufnehmen zu können. In diesen drei Septembernächten starben 360 Menschen den Tod am Galgen: Lehrer, Beamte, Arbeiter, Kaufleute, Offiziere und Künstler. Neben dem Hinrichtungsschuppen lag noch tagelang ein Berg von nackten Leichen.«
In einer der Blutnächte wurde der 27jährige Düsseldorfer Pianist Karlrobert Kreiten ermordet. Der sogenannte Volksgerichtshof hatte ihn, wie die Nazipresse am 15. September in einer knappen Meldung informierte, »wegen Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung« zum Tode verurteilt. »Kreiten hat durch übelste Hetzereien, Verleumdungen und Untertreibungen eine Volksgenossin in ihrer treuen und zuversichtlichen Haltung zu beeinflussen versucht und dabei eine Gesinnung an den Tag gelegt, die ihn aus der deutschen Volksgemeinschaft ausschließt.«
Kreiten war das Opfer einer Denunziation geworden, seine Verurteilung und Hinrichtung sollten eine exemplarische Warnung für alle Kritiker und Gegner des Regimes sein. Das macht der Tenor des vom Präsidenten des »Volksgerichtshofes«, Roland Freisler, unterzeichneten Urteils deutlich.