Beethoven Opus 13 signature

Das Bühnenstück „Der Fall Karlrobert K.“

Heinrich Riemenschneider hat die Verratsszene in seinem Bühnenstück „Der Fall Karlrobert K.“ nachgezeichnet:

1. Szene
BERLIN MÄRZ 1943

Geschlossener Bühnenvorhang, im Zuschauerraum erklingt Klaviermusik - Beethovens f-Moll-Sonate op. 57, »Appassionata« - Musikzimmer einer Offiziersfamilie im Berlin der dreißiger Jahre

Karlrobert Kreiten sitzt am Flügel und spielt beim Öffnen des Vorhangs die letzten Takte

FRAU OTT:Also Karlrobert, wenn Sie übermorgen so zur Sache gehen, wird das Publikum im Beethovensaal rasen. Es ist wirklich phantastisch, wie Sie das Instrument beherrschen, ich glaube Beethoven hätte seine helle Freude an Ihnen! Sie müssen entschuldigen, unser »Blüthner« ist nicht so ganz exakt gestimmt: - vielleicht sind es auch die Temperaturschwankungen, die ihm zu schaffen machen? ... aber Sie wissen ja, das Heizmaterial ist knapp und ich bin froh, daß der Raum wenigstens einigermaßen temperiert ist, wenn Sie hier üben.

KARLROBERT:Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet Frau Ott-Monecke.

FRAU OTT:Ach was - ich freue mich schon so auf Ihr Konzert. Wenn es wieder so ein Erfolg werden sollte wie das letzte Mal: - die Berliner waren ja förmlich aus dem Häuschen ... und die Presse: Ein wahrer Hexenmeister des Klaviers ... Der Paganini des Klaviers ... Das junge Klaviergenie - also einfach toll!

KARLROBERT:Aber Frau Ott-Monecke, Sie beschämen mich ... Ich bin froh, daß Sie mir Gelegenheit geben, bei Ihnen üben zu dürfen, solange ich meine neue Wohnung noch nicht benutzen kann.

FRAU OTT:Nein, nein, das hatte ich Ihnen ja angeboten! Den Umzugstermin mußten Sie einfach wahrnehmen, sonst finden Sie in ganz Berlin niemanden, der Ihnen Ihr Instrument transportiert!

KARLROBERT:Solange ich Ihren Flügel benutzen darf, ist das Konzert ja nicht gefährdet - vorausgesetzt es gibt keinen Fliegeralarm!

FRAU OTT:Malen Sie den Teufel nicht an die Wand! Die wertvollsten Dinge habe ich schon im Keller deponiert, denn die ewige Schlepperei wird mir auf die Dauer doch zu viel!

KARLROBERT:Apropos - auf das Hitlerbild zeigend - den würde ich an Ihrer Stelle auch abhängen und am besten so weit wegstellen, daß ihn niemand mehr bei Ihnen findet.

FRAU OTT:Herr Kreiten! - wie soll ich das denn verstehen? ...

KARLROBERT:Ich meine es doch nur gut mit Ihnen. Dieser Krieg ist praktisch schon verloren! Er wird am Ende nicht nur zur totalen Zerstörung Deutschlands führen, er wird auch der deutschen Kultur nie wieder gutzumachenden Schaden zufügen! In Westdeutschland steht bald kein Stein mehr auf dem anderen: ich habe gerade Post aus Düsseldorf bekommen, die Stadt ist fast ein einziger Trümmerhaufen ... In Köln soll es noch schlimmer aussehen.

FRAU OTT:Nein - Nein Herr Kreiten, das hieße ja, daß alle Opfer, die man uns abverlangt, umsonst gewesen wären ... Bedenken Sie, mein Mann ist Offizier!

KARLROBERT:Ja ... Frau Ott-Monecke - so wie es aussieht, ist es leider so. - Herr Hitler meinte, er könnte ungestraft gegen die ganze Welt Krieg führen ... Bedenken Sie doch einmal, wie großsprecherisch der Herr Reichsmarschall Göring vor ein paar Jahren in aller öffentlichkeit behauptete, wenn je ein feindliches Flugzeug Deutschlands Grenzen überfliegen sollte, wolle er Meier heißen ... Viele nennen ihn ja hinter der vorgehaltenen Hand so, das kann aber kein Trost dafür sein, daß wir täglich miterleben müssen, wie die deutschen Städte den feindlichen Bombenflugzeugen hoffnungslos ausgeliefert sind ... Wir können uns nur alle wünschen, daß dieser Krieg bald zu Ende geht und wir heil davonkommen! - Seien Sie nicht traurig Frau Ott-Monecke, wir müssen es halt durchstehen ... Darf ich morgen wiederkommen?

FRAU OTT:... Ja, Herr Kreiten ... Auf Wiedersehen ...

KARLROBERT:Auf Wiedersehen, Frau Ott-Monecke.

Frau Ott-Monecke macht sich ganz verstört im Zimmer zu schaffen Klingelzeichen an der Wohnungstür

FRAU WINDMÖLLER:Heil Hitler, Frau Ott-Monecke - ist Ihr Gast schon weg?

FRAU OTT:... ja - er ist eben gegangen.

FRAU WINDMÖLLER:Wie schade, ich hätte ihn gerne mal aus der Nähe gesehen, Ihren berühmten Pianisten ... Kommt er noch mal?

FRAU OTT:... ja -ja ... morgen

FRAU WINDMÖLLER:Es wäre schön, wenn Sie morgen mit zu unserem Schulungsabend kämen, wir brauchen jetzt jede Frau ... Warum sind Sie so verstört? ... Haben Sie sich die Sache mit meiner Schwester so zu Herzen genommen?

FRAU OTT:Nein - Frau Ministerialrat

FRAU WINDMÖLLER:Das müssen Sie verstehen. Das kann man nicht mehr durchgehen lassen, auch wenn es die eigene Schwester ist. Die unbeirrbare Treue zum Führer geht über alles - auch über die eigene Schwester.

Frau WindMÖLLer wird immer erregter

Ich habe für vieles Verständnis, aber Untreue zum Führer - jetzt in seinen schwersten Stunden! Wo es gilt, die Feinde in Ost und West zu schlagen - nein - Untreue dem Führer gegenüber werde ich niemals verzeihen!

FRAU OTT:...... Aber es ist doch ihre Schwester, die nicht weiß, daß Sie sie beobachten lassen. Sie könnte unbeabsichtigt einen Fehler machen ...

FRAU WINDMÖLLER:- Nein - da gibt es für mich kein Pardon! Wer dem Führer die Treue bricht und damit den Endsieg gefährdet, gehört aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen. Der ist nicht mehr würdig der großdeut­schen Volksgemeinschaft anzugehören ... Das würde ich selbst meinem eigenen Mann nicht verzeihen!

FRAU OTT:Ich kann Sie ja verstehen, Frau Ministerialrat, aber es gibt doch außer Ihrer Schwester auch noch andere Menschen, die an dem Endsieg zweifeln ... Erst eben hat mir der junge Kreiten gesagt, daß er nicht daran glaubt, daß dieser Krieg noch zu gewinnen ist ... und die Weiterführung unter der Parole des Endsieges nur noch zu weiteren unnützen Opfern führt ...

FRAU WINDMÖLLER:- Das ist ja ungeheuerlich ...

FRAU OTT:Er meinte ja nur, das sei das Ergebnis, weil der Führer glaubt, die ganze Welt herausfordern zu können: und sich zum Feind zu machen ...

FRAU WINDMÖLLER:Das ist eine unglaubliche Frechheit, das müssen Sie mir alles noch einmal ganz genau erzählen, und dann werden wir die Sache zu Papier bringen ... Das dürfen wir nicht auf sich beruhen lassen ... Ich werde mich noch heute mit Frau von Passavant besprechen ...

FRAU OTT:Muß das denn sein? ... Frau Ministerialrat, ich wollte Ihnen doch nur sagen, daß auch andere Menschen Zweifel am Endsieg hegen. Ach ... das ist ja alles so schrecklich.

FRAU WINDMÖLLER:Nein, Frau Ott-Monecke - hier gibt es kein Pardon mehr! Wer dem Führer jetzt in den Rücken fällt, hat sein Recht verwirkt! Diese Sache werden wir unnachsichtlich verfolgen! - Am besten ist, ich komme morgen mit Frau von Passavant zu Ihnen und wir gehen, bevor dieser Dreckskerl kommt, in den Nebenraum ... vielleicht können Sie noch etwas aus ihm herauslocken. Das wird unseren Brief an die Reichsmusikkammer noch untermauern. Heil Hitler Frau Ott-Monecke!

FRAU OTT:Heil Hitler Frau Ministerialrat.

Vorhang




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